Großvaters 122. Geburtstag

Heute vor 122 Jahren wurde Großvater, mein „Opa“, geboren. Mit Dreizehn lauschte ich im gemeinsamen Schlafzimmer seinem Atem. Wenn er manchmal stockte, hatte ich Angst, er könnte sterben. Er hatte erzählt, dass ihm nach einer Lungenentzündung in jungen Jahren und einem Magengeschwür ein Arzt gesagt habe, er könne sich freuen, wenn er seinen 50. Geburtstag erlebe. Inzwischen war er Sechzig. Ich rettete mich mit dem Gedanken, dass die Großmutter dann noch da war. Ohne sie wollte ich auf keinen Fall weiterleben, ohne ihn noch eher. Weiterlesen

leben und Leben lassen

Wer hat sich nicht schon unsterblich gefühlt? Wird uns auch immer wieder klar (gemacht), dass das Leben nicht anders als endlich sein kann, bleibt diese Einsicht letztlich doch unfassbar. Haben wir die Natur nicht hier und da schon überlistet, Grenzen verschoben und überschritten? Warum nicht auch die Sterblichkeit? Warum soll es uns nicht gelingen, das Leben in die Länge zu ziehen? Weiter und weiter? Weiterlesen

Prostata et cetera

Heute, am meteorologischen Frühlingsanfang, hat die Welt sich neu für mich eröffnet. Im Jahr 1985 fühlte ich mich schon einmal so. Damals fuhr ich auf der Autobahn von Eisenach Richtung Schlema, um die Großmutter zu besuchen. Unterhalb der Hörselberge kam ich mit Tempo 85 von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen noch elastischen Baumstamm. Mein Trabi überschlug sich und landete mit Totalschaden auf dem Dach. Weiterlesen

Fachkräftemangel

„Lehrlinge fehlen händeringend“, erzählt ein Journalist, eine Fachkraft, im Deutschlandfunk. Dass Unsinn ist, was er sagt, merkt er nicht. Sagen hat er wollen, dass Lehrlinge händeringend gesucht werden. Das ginge als belangloser Lapsus durch, hätte ich nicht den Eindruck, dass immer häufiger nicht gesagt wird, was gemeint ist. Weil man es nicht sagen will? Oder weil die Sprache immer schlechter beherrscht wird? Fehlt es mehr an „Fach“ oder an „Kraft“?

An beidem nicht, sage ich und bestreite den Fachkräftemangel. Zurzeit ist dieses Wort in diesem Land jedoch in aller Munde. Fehlende Substanz und Kompetenz wird damit, meist erstaunt, beklagt, als käme sie aus dem Nirgendwo. Sie ist aber aus dem Boden der Tatsachen gewachsen, in Wirklichkeit also. Nirgendwo sonst als in Wirklichkeit steht in jedem Arbeitsbereich jedoch genau das Personal zur Verfügung, das über Jahrzehnte dort hingestellt wurde. Oder eben nicht. System@isch sozusagen.

Soll ich das ignorieren und stattdessen den in Universitäten, Institutionen und Parlamenten zusammengeballten Verstand in Frage stellen? Tue ich es nicht, sollte ich auch nicht dem abenteuerlichen Narrativ auf den Leim gehen, dass Bäcker oder Bankerinnen, Lehrerinnen oder Lokführer, Pfleger oder Landwirtinnen auf einmal in Schwarzen Löchern verschwinden, sondern akzeptieren, dass auch in der Welt der Arbeitskräfte – wie im großen Ganzen – alle mit allem zusammenhängen.

Mathematisch ausgedrückt leben wir in einer dynamischen Gleichung, die die Bestandsfähigkeit von 85 Millionen Menschen ausdrückt. Sobald sie zur Ungleichung wird, muss in einer Demokratie der Souverän – also das Volk, also ich! – korrigierend eingreifen. Warum habe ich das bisher nicht getan? Aus Bequemlichkeit? Aus Kräftemangel? Oder weil ich zu ahnungslos bin? Mich täuschen ließ? Jetzt bin ich von mir enttäuscht. Zu Recht.

Ubuntu

Aus den Sprachen der einst in Zentralafrika beheimateten Zulu und Xhosa, der Wiege der modernen Menschheit, kommt das Wort ‚Ubuntu‘. Es ist ein philosophisches Konzept, das nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil verschiedener afrikanischer Gesellschaften ist und die Verbundenheit und gegenseitige Abhängigkeit, die durch das Zusammenleben entsteht, in den Mittelpunkt stellt. Weiterlesen