Jetzt vernetzte Zimmer kaufen

Mit dem Schriftzug JETZT VERNETZTE ZIMMER KAUFEN vor Augen, erwache ich am frühen Morgen aus einem Traum. Sofort sind alle Zusammenhänge verschwunden. Vermutlich standen die vier Worte auf einem Plakat, aber ich weiß nicht mehr, ob es auf einer Demo getragen wurde oder übergroß an einer Hauswand hing oder in eine Bushaltestelle geklebt war oder zu einer Fernsehwerbung gehörte. Ich sehe nur noch den schwarz auf weiß kombinierten Imperativ vor mir und überlege, was er bedeuten könnte.

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“Rote Segelflotte”

Von einer „Neuseddiner Malfrau“ – so nennt sich eine Gruppe sogenannter Hobbymalerinnen – habe ich kürzlich das Pastellbild „Rote Segelflotte“ erworben. Es war Liebe auf den ersten Blick, doch erst seit es im kurzen Flur meines Leipziger Oberstübchens Platz gefunden hat und ich ihm täglich begegne, hat sich auch Bedenkliches den Weg hinein gebahnt.

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Großvaters 122. Geburtstag

Heute vor 122 Jahren wurde Großvater, mein „Opa“, geboren. Mit Dreizehn lauschte ich im gemeinsamen Schlafzimmer seinem Atem. Wenn er manchmal stockte, hatte ich Angst, er könnte sterben. Er hatte erzählt, dass ihm nach einer Lungenentzündung in jungen Jahren und einem Magengeschwür ein Arzt gesagt habe, er könne sich freuen, wenn er seinen 50. Geburtstag erlebe. Inzwischen war er Sechzig. Ich rettete mich mit dem Gedanken, dass die Großmutter dann noch da war. Ohne sie wollte ich auf keinen Fall weiterleben, ohne ihn noch eher. Weiterlesen

Prostata et cetera

Heute, am meteorologischen Frühlingsanfang, hat die Welt sich neu für mich eröffnet. Im Jahr 1985 fühlte ich mich schon einmal so. Damals fuhr ich auf der Autobahn von Eisenach Richtung Schlema, um die Großmutter zu besuchen. Unterhalb der Hörselberge kam ich mit Tempo 85 von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen noch elastischen Baumstamm. Mein Trabi überschlug sich und landete mit Totalschaden auf dem Dach. Weiterlesen

Großmutters 120. Geburtstag

Heute vor 120 Jahren wurde Großmutter, zeitlebens meine „Omi“, geboren. Von meinen leiblichen Eltern verlassen, sorgte sie in Dessau gemeinsam mit ihrem Ehemann seit meinem zweiten Lebensjahr für eine Kindheit und Jugend, in der ich die Verschwundenen – die Mutter im Westen, den Vater in Dessau-Törten – nie vermisste. Weiterlesen