Umsicht

Oberflächlichkeit ist eine meiner Baustellen, und ich will mich bemühen, nicht mehr so schnell mit einfachen Denkschleifen zufrieden zu sein. Kurzschlüssige Kausalketten sind kein Weg, die komplexen Strukturen und Muster zu verstehen, die die Welt bilden und verändern.

Ein Mittel für mehr Umsicht ist der Wechsel der eigenen Perspektive. Erst wenn ich meinen Standpunkt vorübergehend verlassen und Vorgänge aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann, kann ich Zusammenhänge verstehen. Ein weiteres Mittel ist der Blick rundum, der panoramatische Blick. Er ist Vergewisserung und sollte zugleich Verantwortung generieren. So weitet und fokussiert sich mein Denken und macht ein Entscheiden und Handeln möglich, das über mich und den Augenblick hinausreicht. Dann muss ich nicht mehr so oft in Sackgassen rennen oder mich planlos verlaufen.

Ärger und Begeisterung begleiten mein Bemühen. Erst mit ihnen verspüre ich die Lust am Leben.

die Welt von Heute

„Die Hälfte der jetzigen Treibhausgase in der Atmosphäre wurde in den letzten dreißig Jahren emittiert“. So steht es im Sachbuch „Der Fluch der Muskatnuss“ von Amitav Ghosh, ein indischer Autor, der den Untertitel „Gleichnis für einen Planeten in Aufruhr“ hinzufügt und sagt: „Die wahnsinnige Beschleunigung, herbeigeführt durch die weltweite Übernahme kolonialer Methoden der Ausbeutung und Konsumption, hat die Menschheit an den Rand des Abgrunds gebracht.“

Ist die Erde schlussendlich doch eine Scheibe? Oder Ghosh ist ein Provokateur.

Der „Rand des Abgrunds“ entsteht mit dem Weltbild der antiken Menschheit, in der ihr Starautor Homer die Erde als vom Himmel überwölbt und von einem großen Wasser, dem Okeanos, umflossen, beschreibt. In einer seiner Sagen um den griechischen Halbgott Herakles, erzählt er von zwei Säulen an der Meerenge von Gibraltar, die damals das Ende der Scheibenwelt anzeigten. Der Heros habe die Säulen – eine auf europäischem, eine auf afrikanischem Boden – errichtet, um vor dem behaupteten Abgrund dahinter zu warnen.

NON PLUS ULTRA (bis hierhin und nicht weiter) steht auf einer bildlichen Darstellung aus jener Zeit. Wahrscheinlich sollte dieses geopolitische Stoppschild auch alle Neugierigen zurückhalten, die, gäbe es keinen Abgrund, auch keinen Grund mehr hätten, die Allmacht Karl V. anzuerkennen und sich ihm zu unterwerfen. Als dieser Herrscher die Existenz von Gegenden hinter dem großen Wasser akzeptieren musste, erklärte er – Genie oder Wahnsinn? – die neue Welt gleich mit zu seiner. Das NON PLUS ULTRA verkürzte er zu PLUS ULTRA (und mehr).

Unsere Angst vor Abgründen ist geblieben. Neuerdings lassen sich Physiker, Kosmologen und Philosophen von Daten erschüttern, die das 2021 ins Weltall geschossene James Webb-Teleskop zur Erde schickt. Sie bringen das seit den 1930er Jahren gängige Urknallmodell des Universums ins Wanken und nähren die Vermutung, dass wir wahrscheinlich nur ein Bruchteil von dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, erkennen können.

Wie gehen wir damit um? Gar nicht? Mein Eindruck ist, wir möchten so gern bleiben: wie und wo wir sind. Also am Abgrundrand. Also in der Welt von Gestern.

planlos aber frei

Do You remember: Es war nach der friedlichen Hingabe der DDR an die BRD vor 35 Jahren. Da zogen die Westdeutschen mit Spott und Häme über die sogenannte sozialistische Planwirtschaft her, die jämmerlich gescheitert war. Bei besserem Hinsehen wäre allerdings schon damals nicht das Planvolle als Ursache für das DDR-Desaster ausgemacht worden, sondern jenes Gespinst aus Selbsttäuschung, Ideologie und Scheinheiligkeit, in dem die DDR-Wirtschaft buchstäblich erstickte und mit ihr ein ganzes Land. Weiterlesen

Mensch und Klimawandel

Im Deutschlandfunk spricht der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber über sich, das Klima und menschliche Einflüsse darauf. Seit mehr als 100 Jahren sind, sagt er seinem Gesprächspartner Georg Ehring, ein Redakteur des Senders, die wissenschaftlichen Grundlagen klar. 1896 veröffentlichte der schwedische Physiker und Chemiker Svante Arrhenius als Erster eine Schrift über die globale Erwärmung aufgrund der anthropogenen Kohlendioxid-Emission. Ausgerechnet hat er damals, dass das Verbrennen von Kohle in großem Umfang zu einer spürbaren, messbaren, möglicherweise katastrophalen Veränderung des Weltklimas führt. Weiterlesen

Starkregen und Sturzfluten in Spanien

Von der schwersten Flutkatastrophe in Spanien seit fast 30 Jahren wird heute berichtet. Innerhalb eines Tages sei in Teilen Spaniens seit gestern so viel Regen gefallen, wie sonst in einem Jahr. Sturzfluten haben Straßen in Flüsse verwandelt. Mindestens 95 Personen sind dadurch ums Leben gekommen, 92 allein in der Provinz Valencia. Weiterlesen