Freiheit, die ich meine

Morgen, am 17. April, stehen in Heilbronn vier Aktivist:innen der „Letzten Generation“ vor Gericht, weil sie deutlich auf eine globale politische Tatenlosigkeit aufmerksam gemacht haben, durch die Menschen täglich weiter in gefährliche Lebenslagen hineingeraten.

Angedroht sind den Vier Haftstrafen bis zu sechs Monaten. „Es fühlt sich absurd an. Wie kann man Freiheitsstrafen verhängen gegen Menschen, die sich für die zukünftige menschliche Freiheit und alle dazu nötigen Lebensgrundlagen einsetzen? Wir protestieren friedlich dafür, dass sich die Bundesregierung an das Grundgesetz hält“, sagt einer der Angeklagten.

Hat er Recht? Sicher ist, dass er aus einer Perspektive auf die Welt sieht, die auf Fakten beruht und nicht, wie die nach wie vor überwiegende Mehrheit, auf Fiktionen, an denen sie ihre Wünsche und Lebensziele ausrichtet.

Es war Ende des 18. Jahrhunderts und wenige Jahre nach den Ereignissen im damaligen Paris, als eine Gruppe junger Intellektueller vom kleinen mitteldeutschen Jena aus die Welt verändern wollte und – so ist das bei jeder Idee! – nicht zuerst der Welt, sondern zuerst sich zuliebe. Inmitten der damals aus Europa nach Jena strebenden Studenten, die den Geist ihrer intellektuellen ‚Idole‘ vor Ort buchstäblich einatmen wollten, suchte und fand die Gruppe tatsächlich einen begehbaren Weg heraus aus der täglich verspürten Enge von Studierstuben, Kneipen und Gassen, heraus aus aufgenötigten kleinteiligen Doktrinen und Regeln, die immer wieder nur auf sich verwiesen. Es war wie ein in Kreisen drehen und gedreht werden. Die Idee, die „das Ich in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellte“, wie Andrea Wulf in ihrem Buch „Fabelhafte Rebellen“ schreibt, bog diese Kreise auf. „Wir sind auf einer Mißion“, schrieb der Dichter Novalis 1798, „zur Bildung der Erde sind wir berufen“.

Voraus nach Heilbronn. Zurück nach Heilbronn! Es könnte sein – das hängt natürlich von der Perspektive ab, der eigenen – dass demnächst auch in diesem Land Gefängniszellen wieder die tatsächlichen Freiheitsorte werden, während das nach Recht und Gesetz für frei Erklärte in Wirklichkeit das Gebundene, das Gefesselte ist, das uns in die Enge treibt.

Dann ist es schnell aus mit der Luftigkeit des Begriffs und der Leichtigkeit des Seins. Dann wird ‚Freiheit‘ wieder, was sie faktisch ist: harte, ehrliche Arbeit. Der fiktive Gemütszustand, in den wir uns verrannt haben, existiert allenfalls in unseren Köpfen real. Die tatsächliche Freiheit beruht, wie immer schon, auf Einsicht in Notwendigkeit: zu gemeinsamem Denken und Handeln. Ohne das bleibt sie illusorisch.

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