Klimakonferenzen

Im Jahr 1992 fand in Rio de Janeiro der erste Umweltgipfel der Vereinten Nationen statt. Verabschiedet wurde damals eine globale Klimarahmenkonvention. Seitdem streiten sich Politiker und Wirtschaftslenker jährlich aufs Neue um eine völkerverbindliche Regelung zum Klimaschutz. Einerseits versuchen die Industrieländer die Verantwortung für eine weltweit lebenswerte Zukunft so zu verteilen, dass der eigene Wohlstand und Profit unangetastet bleiben, andererseits wollen Schwellen- und Entwicklungsländer sich erst zu etwas verpflichten, wenn die reichen Länder bereit dazu sind.

2012 ging im Land mit dem derzeit höchsten Pro-Kopf-Ausstoß von CO2, dem Emirat Katar, die 18. Auflage dieses Gezänks über die Bühne und die üblichen Delegierten feilschten um die Zukunft, als wäre sie ein Ballen Stoff auf dem Basar, der sich beliebig zerlegen lässt. Wieder mal waren in Scharen auch die Verbreitungsmächte vor Ort, wie Thomas Mann die Medien so treffend nannte, und muteten der Menschheit wiederholt Banalitäten, Heucheleien und Elogen zu, mit denen man in Doha die Zeit totschlug.

Erinnert sich noch einer der beflissenen Hofberichterstatter an jene zwölfjährige Kanadierin, die 1992 vor die Delegierten trat, um ihre Zukunftsangst zu benennen und die Befähigung des Auditoriums, verbindliche Normen und Verhaltensregeln zum Schutz des Planeten auszuhandeln, in Frage zu stellen. Ihre frappierende Rede wurde höflich beklatscht und eiligst hinwegkomplimentiert, aber das Internet ist ein guter Ort sie aufzubewahren für einen Tag wie diesen oder einen anderen, an dem diese Rede an allen Schulpforten der Welt zu lesen sein wird:

“Hallo, ich bin Severn Suzuki, und spreche für […] eine Gruppe von vier zwölf- und dreizehnjährigen Kindern aus Kanada. […] Wir haben das ganze Geld selbst aufgebracht, damit wir die 6000 Meilen hierher kommen konnten, um euch Erwachsenen zu sagen, dass ihr eure Wege ändern müsst. […] Ich kämpfe für meine Zukunft. Meine Zukunft zu verlieren ist nicht vergleichbar mit einer verlorenen Wahl, oder einigen verlorenen Punkten an der Aktienbörse.

Ich bin hier, um für alle zukünftigen Generationen zu sprechen, die noch kommen werden. Ich bin hier, um stellvertretend für die hungernden Kinder in der ganzen Welt zu sprechen, deren Schreie ungehört verhallen. Ich bin hier, um für die unzähligen Tiere zu sprechen, die überall auf diesem Planeten sterben, weil ihnen der Platz zum Leben genommen wurde.

Ich sorge mich wegen des Ozonlochs, wenn ich nach draußen in die Sonne gehe. Ich bin besorgt, wenn ich die Luft einatme, weil ich nicht weiß, welche Chemikalien darin sind. Ich bin früher mit meinem Vater zum Fischen gegangen, in Vancouver, meiner Heimatstadt, bis wir vor einigen Jahren einen Fisch voller Krebsgeschwüre fanden. Und jetzt hören wir Tag für Tag von Tieren und Pflanzen die aussterben – verschwunden für immer.

In meinem Leben habe ich davon geträumt, die großen Herden wilder Tiere zu sehen, den Dschungel und Regenwälder voller Vögel und Schmetterlinge, aber jetzt frage ich mich, ob sie noch lange genug existieren werden, damit auch meine Kinder sie sehen können. Habt ihr euch über diese Dinge Gedanken machen müssen, als ihr in meinem Alter wart? All dieses passiert vor unseren Augen, aber wir handeln, als hätten wir alle Zeit der Welt und für alles eine Lösung. Ich bin nur ein Kind, und ich habe alle diese Lösungen nicht, aber ich gebe euch zu bedenken, dass ihr sie auch nicht habt.

Ihr wisst nicht, wie Ihr die Löcher in der Ozonschicht reparieren könnt. Ihr wisst nicht, wie ihr den Lachs in einen toten Fluss zurückholen könnt. Ihr wisst nicht, wie ihr ein ausgestorbenes Tier zurück in einen Wald bringen könnt, der einmal dort wuchs, wo jetzt eine Wüste ist.

Wenn ihr nicht wisst, wie ihr das alles reparieren könnt, dann hört bitte damit auf, es zu zerstören. Hier mögt ihr Delegierte eurer Regierungen sein, Geschäftsleute, Veranstalter, Reporter oder Politiker, aber in Wirklichkeit seid ihr Mütter und Väter, Schwestern und Brüder, Tanten und Onkel. Und jeder von euch ist das Kind von irgend jemandem.

Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, dass wir alle Teil einer großen Familie mit fünf Milliarden Verwandten sind – genau genommen sind wir Mitglieder einer Familie aus 30 Millionen Arten. Grenzen und Regierungen werden an dieser Tatsache nichts ändern können.

Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, wir sind alle zusammen darin vereint und sollten als eine einzige Welt ein gemeinsames Ziel anstreben. Ich bin nicht blind vor Zorn, und trotz meiner Furcht habe ich keine Angst davor, der Welt zu sagen, wie ich fühle. In meinem Land erzeugen wir so viel Müll. Wir kaufen und werfen weg, kaufen und werfen weg. Die reichen Länder werden jedoch nicht mit den Bedürftigen teilen. Obwohl wir mehr als genug haben, haben wir Angst, etwas von unseren Vermögen zu verlieren, sind zu ängstlich etwas davon abzugeben.

In Kanada leben wir mit dem Privileg, viel zu Essen, Wasser und eine Unterkunft zu haben. Wir haben Uhren, Fahrräder, Computer und Fernseher. Vor zwei Tagen waren wir geschockt, als wir hier in Brasilien einige Zeit mit einigen Straßenkindern verbrachten. Eines dieser Kinder hat zu uns gesagt: ‘Ich wünschte ich wäre reich, und wenn ich es wäre, würde ich allen Straßenkindern Essen, Kleidung, Medizin, Unterkunft, Liebe und Zuneigung geben.” Wenn dieses Straßenkind, das nichts hat, zu teilen bereit ist, warum sind wir, die alles haben, immer noch so gierig? Ich kann nicht aufhören daran zu denken, dass diese Kinder in meinem Alter sind, dass es einen ungeheuerlichen Unterschied macht, wo man geboren ist. Ich könnte eines dieser Kinder in den Favelas von Rio sein. Ich könnte ein hungerndes Kind in Somalia sein, ein Kriegsopfer im Mittleren Osten oder ein Bettler in Indien.

Ich bin nur ein Kind, aber ich weiß, wenn alles Geld, das für Kriege ausgegeben wird, für die Beendigung der Armut und die Suche nach Lösungen zur Rettung unserer Umwelt ausgegeben würde, was für ein wundervoller Platz diese Erde dann wäre. In der Schule und im Kindergarten lehrt ihr uns, wie die Welt zu bewahren ist. Ihr lehrt uns, nicht mit anderen zu kämpfen, für etwas zu arbeiten, andere zu respektieren, Ordnung zu halten, keine anderen Lebewesen zu verletzen, zu teilen, nicht gierig zu sein. Warum geht ihr dann hinaus, und macht das Gegenteil von dem, was ihr uns gelehrt habt?

Vergesst nicht, warum ihr an diesen Konferenzen teilnehmt, für wen ihr das tut – wir sind eure Kinder. Ihr entscheidet, in was für einer Art Welt wir aufwachsen werden. Eltern sollten die Möglichkeit haben ihre Kinder zu trösten, indem sie ihnen sagen können ‘Alles wird gut.’ ‘Wir tun alles was wir können.’ ‘Das ist nicht das Ende der Welt.’ Aber ich denke nicht, dass ihr das je wieder zu uns sagen könnt. Sind wir überhaupt auf eurer Prioritätenliste? Mein Vater sagt immer: ‘Du bist das was du tust, nicht das was du sagst.’ Was ihr tut, lässt mich nachts weinen. Ihr Erwachsenen sagt, ihr liebt uns. Ich fordere euch auf, bitte, lasst eure Taten eure Worte widerspiegeln.”

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