Ich bin ein Hambacher

„Ich bin ein Berliner“, rief der US-Präsident John F. Kennedy im Jahr 1963 während seines Besuchs im Westen der damals geteilten Stadt in einer Rede vor dem Schöneberger Rathaus seinen Zuhörern zu, um sich mit ihnen zu solidarisieren.

„Ich bin ein Hambacher“, sollte heute – gefragt und ungefragt, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit – über die Lippen bringen, dem nicht an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, was sich vor seiner Haustür und in der Welt tut. Es wäre eine überragende Haltung im grassierenden Rückfall auf ‚alle Viere‘.

Kennedy ging es um ein scheinbar lokales Politikum in einer geteilten Welt, die er gern komplett im Einfluss der USA gesehen hätte. Mir geht es um eine scheinbar regionale Lebenslage in einer unteilbaren Welt, der ich gern eine Zukunft gäbe.

Passend zum Thema: im Thüringer Wald gefundener, eigenhändig entniedlichter Imperativ

Der Hambacher ‚Wald‘ ist im Moment wie keine andere Umweltzerstörung in Deutschland ein markantes Beispiel für die Verantwortungslosigkeit von Politikern und Unternehmern. Wald in Anführungszeichen gesetzt, weil die 200 verbliebenen Hektar von einst über 4000 ihn mehr behaupten als zeigen. Und eine verlogene Klimapolitik. Wofür der Energiekonzern RWE sich einen Kohledreck interessiert. Und wir? Wir haben uns daran gewöhnt, dass Misshandlungen der Umwelt mit der Notwendigkeit begründet werden, Arbeitsplätze zu erhalten statt Lebensgrundlagen.

Der Hambacher ‚Wald‘ ist Metapher für unsere kollektive Unfähigkeit, vernünftig zu handeln. Es zerfranst in politischen und ökonomischen Systemen und zwar nicht – das ist niederschmetternder – in geistiger Umnachtung, sondern bei vollem Bewusstsein.

Pandoras Box ist leider eine Fiktion. Offen ist sie zwar, aber auf dem Boden (der Tatsachen) ist nichts.