anders reisen 2

Auf Ort und Stelle bestehen, ist für Lebewesen in einer sich wandelnden Umgebung unvorteilhaft. Zuträglicher ist Beweglichkeit. Standhaftigkeit und Sesshaftigkeit sind menschliche Erfindungen und ohne Kultivierung und Domestizierung nicht zu haben. So wurde mit der Zeit aus dem Durchziehen der Natur Landnahme, der wertvollen Ressourcen wegen abgegrenzt und verteidigt. Wenn ein Gebiet schon in anderer Obhut war, wurde es gemieden, besser aber, weil erst das die eigenen Ansprüche erfüllt, erobert.

In dieser Verteilung und Umverteilung wurden Umherziehende ein Risiko. Gaben sie sich anspruchslos, waren sie den Sesshaften allenfalls noch Zeitvertreib, im Regelfall ein Ärgernis. Inzwischen dämmert uns, dass Besitzgier gepaart mit gefährlichem Größenwahn uns mehr als nur das Zusammengeraffte kosten wird. Aber wir versuchen nicht etwa unsere Lebensweise zu verändern, sondern, wenn wir es uns leisten können, das im hamsterrädrigen Alltag verloren gegangene Wohlbefinden mit temporärer Ferne auszugleichen. Als ließe sich aus ihr zurückholen, was uns daheim abhanden kam. Als hätten wir noch nicht genug (verloren).

Immer hastiger, flüchtiger und im Ergebnis belangloser werden diese Versuche, wird die SehnSucht nach Entspannung, Begegnung, Willkommensein und Selbstbefriedigung, das uns eine nach dem Zweiten Weltkrieg geradezu explodierende und hoch profitable Freizeitindustrie mit einem gigantischen Ressourcenverschleiß beschert hat. Das hätte einen Sinn? Und bleibe so? Bis zum bitteren Ende, hätte ich vor einem halben Jahr noch gewettet und dass das Sinnlosreisen seinen Anteil am Niedergang eines rücksichtslosen Wohlstands haben wird, mit dem wir unsere Zukunft verunsichern.

Doch mit einer unverhofften Leichtigkeit des Seins sorgt jetzt ein winziges Virus pandemischen Ausmaßes für veränderte Verhältnisse. Sehr wahrscheinlich nur vorübergehend, aber schon dieses kurzzeitige globale Innehalten ist phänomenal. Ist nach schierer Ungläubigkeit und panikartigem Entsetzen – sowohl als auch –  die Ahnung, dass wir es bei diesem Virus, dem wir per definitionem Lebendigkeit absprechen, mit einer Daseinsform zu tun haben, die weniger konkurriert, als sogar in unserem Interesse agieren könnte. Aber es sei lebensgefährlich! Und mein eigenes?

Das Virus Corona ist gleichermaßen ein Initiator, der nicht nur vorzeiten die Evolution in Gang und, infolgedessen, auch uns auf die Beine gebracht hat. Es hat auch sein Potential behalten, sie weiter anzuregen. In dieser Weise kreuzt es unsere Ambitionen, wirkt ein und lässt uns anders sein. Zum Beispiel anders reisen:

Gut vorbereitet; mit MenschVertrauen; gefasst auf Unbequemlichkeit; so weit als möglich zu Fuß; mit einem Reisetagebuch; unaufdringlich und vorurteilsfrei; behutsam und selbstbewusst; auf Begegnungen aus; für Befreundungen offen; Eindrücke sammelnd ohne Schnäppchen zu jagen; nicht auf Kosten anderer; gern wieder dorthin, wo einem gut zumute ist.

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