Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Gertie Tesch: Wir haben noch gar nichts gesagt.
Ich meine Ihre Bereitschaft.
Ach so.
So schwierig ist die Sprache, so leicht so missverständlich.
Danke für den Hinweis.
In der weißrussischen Hauptstadt Minsk haben die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs ein Abkommen zum Ukraine-Konflikt ausgehandelt. Ab Vorvorgestern sollte eine von der OSZE überwachte Waffenruhe beginnen. Gestern sollte der Abzug schwerer Waffen aus dem Kriegsgebiet beginnen, aber eine Waffenruhe gab es seither von keiner Seite.
Erschütternd ist, dass die hauptsählich Betroffenen, die Menschen vor Ort, nichts dazu zu sagen haben. Nicht in der Ukraine, nicht in Syrien, nicht im Irak.
„Dazu“ ganz sicher aber nichts Entscheidendes.
War es jemals irgendwo anders?
Deswegen sollten wir Sebastião Salgado erwähnen. Sein Fazit einer jahrlangen weltweiten Recherche über Migrationsbewegungen Ende der 1990er Jahre, über vor Kriegen und Naturkatastrophen Fliehende, über Gehtzte und Verjagte, über lebenswertes Leben Suchende, ist: „Wir sind bösartige, schreckliche Tiere, wir Menschen.“
Ich habe „Das Salz der Erde“ gesehen. Für mich ist dieser Satz die zentrale Aussage des Films von Wim Wenders.
Die sieben Worte fassen alle bisherigen menschlichen Bemühungen zusammen. Schmettern sie nieder. Allerdings scheint mir, dass Wenders eine andere Feststellung Salgados in den Mittelpunkt rückt. Nämlich dass noch etwa die Hälfte der irdischen Natur vom Menschen unversehrt ist und die von ihm geschundene noch reparabel. Da wird Salgados Lebensleistung ebenso gefällig wie beliebig.
Für mich deckt sich der wichtigste Teil des Films mit dem wichtigsten Teil von Salgados Leben. Beide suchen weder Sensation noch Quote. Insofern bin ich dacor mit Wim Wenders. Und wenn, wie ich erfahre, Salgado sich seit seinem Bildepos „Migrations“ nichts mehr vormacht, dann aber eine Möglichkeiten entdeckt, seine Körper- und Geisteskräfte doch noch wertvoll einzusetzen, wirkt das auf mich wie eine Auferstehung. So aufersteht Natur. Ich habe noch die Wahl, ob mit mir oder ohne mich.
Mehr geht nicht. Wenn Salgado ein Stück Dschungel zurückgewinnt, den seine Vorfahren ruiniert haben. Und wenn er gemeinsam mit seiner Frau Lélia und seinem Sohn Juliano „Genesis“ hervorbringt, macht Wenders sein ‚Prinzip Hoffnung‘ daraus.
Geschieht das denn nicht parallel zur Hoffnung? Parallel zum ebenso Menschlichen, das den Taten von Salgado und Wenders vorausging? Von dem wir uns, wenn es Ernst ist, sehr gern sehr schnell distanzieren, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass es Teil von uns ist?
Keine Frage. Leider ist das keine Frage.
Schade. Sehr schade.