Paparatti

Bei der Ratte mit der Kamera, die ich ‚Paparatti‘ nenne, war es Liebe auf den ersten Blick. Im Sommer 2022 lief ich ihr in der furiosen Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ im Leipziger Kulturzentrum „Kunstkraftwerk“ über den Weg. In die Welt brachte der rund um den Globus gefeierte britische Streetart-Künstler, der nach wie vor gern seine Identität versteckt. Seine Vorlieben und Talente auf keinen Fall!

Als Stencil – so heißen mit einer Schablone gesprayte Graffiti – taucht der kesser kleine Nager in heiklen Stadtmilieus, Museen und Galerien auf und ab. Wie die Sprayer ist er be-harrlich, clever und überwiegend unbeliebt. Ihn zu vernichten ist ganz und gar unmöglich. Im sozialen Niemandsland entblößt er schmutzige Untergründe und Hintergründe.

Paparattis Kredo ist die fokussierte Neugier. Im Krisenmodus, der uns nicht mehr verlas-sen wird, sind wir gut beraten, ein Geschehen erst einmal gut zu beobachten, bevor wir Ent-scheidungen treffen und handeln. Inzwischen ist ja fast allen aufgefallen, dass sich im Laufe der kurzen Geschichte unserer Spezies die meisten guten Absichten in Unheil verwandelt haben. Weil das Böse immer und überall wäre? So simpel ist es nicht. So simpel sind wir nicht. Wie erklären wir (uns), dass wir viele Ziele verfehlen oder über sie hinausschießen und wenn wir sie treffen, häufig entsetzt sind? Weil wir uns so gern hinreißen, verführen lassen? Lieber über vieles hinwegsehen als genau hin?

Ist das der Grund für unsere „kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu un-terscheiden“? Paparatti will mit ihrem Scharfblick helfen. Ermuntert mich. Gut hingucken muss ich selbst.