Wie häufig bin ich im Leben gescheitert: auf Spielplätzen, in Klassenzimmern, an Hindernissen, in Jobs, in Beziehungen. Wie häufig habe ich versucht, es besser zu machen. Je gescheiter ich bin, dachte ich, desto mehr wird mir gelingen. Bis ich das gescheit im gescheitert entdeckte.
Das Partizip gescheitert geht auf das altgermanische Verb scheiden zurück, das bis heute spalten und trennen bedeutet. Die Redewendung „zu scheitern werden“ kam im 16. Jahrhundert in die Sprache und bezog sich auf Schiffe, die an Klippen zerschellten. Das mittelhochdeutsche schīden ist eine Nebenform von scheiden, aus der sich, bevor sie wieder verschwand, gescheit im Sinne von (unter)scheiden, deuten und entscheiden bildete.
Da stand gescheit unversehens auf der Seite des Misslingens! Irritiert hatte es mich ja längst, mein Scheitern stets aus eigenem Unvermögen heraus erklären zu sollen. Haben denn Kriege, Finanzkrisen, Flüchtlingsströme oder der aktuelle Klimawandel nicht vorwiegend Menschen zu verantworten, die sich für besonders gescheit halten? Ist es aber dann noch klug, die Begriffe Scheitern und Gelingen für ein Antonym, für einen Gegensatz, zu halten?
So entschied ich, gelingen als einen (meist nur den Augenblick betreffenden) Sonderfall von scheitern anzusehen. Das nimmt viel Druck aus dem Kessel. Ich muss dann nämlich nicht mehr auf Gedeih und Verderb Triumphe und Erfolge feiern, um zufrieden und glücklich zu sein. Ich kann dann nämlich meine Tat- und Geisteskräfte auf allgemeines Wohlbefinden richten. Und darauf, so gescheit wie möglich zu scheitern. Heute können das vor allem Leistungssportler:innen.