Fußabdruck

Hände schaffen Tatsachen. Füße ermöglichen sicheren Stand und voran zu kommen. Fußabdrücke sind mein Existenzbeweis. Spuren, die ich hinterlasse, zeigen, wo ich mich bewegte und wohin und was ich bisher angerichtet habe.

Mein Interesse an Fußabdrücken weckte James Fenimore Cooper. Seinen Romanzyklus „Lederstrumpf“ durchstreifte ich als Vierzehnjähriger an der Seite des Waldläufers und Titelhelden, der mit bürgerlichem Namen Natty Bumppo heißt. Seine Fähigkeit, aus Fußspuren die körperliche und seelische Verfassung ihrer Urheber lesen und sogar deren Absichten oder Nöte erkennen zu können, begeisterte mich.

„Ökologischer Fußabdruck“ nannte 1994 der Schweizer Stadt- und Regionalplaner Mathis Wackernagel eine Fläche, die ein Mensch benötigt, um ein zufriedenstellendes Leben führen zu können, also um sich zu ernähren und zu regenerieren, um zu wohnen und sich zu kleiden, Dinge zu erschaffen und zu bewahren, Verbrauchtes zu entsorgen oder auszugleichen. Er fand auch heraus, wie sich diese Fläche berechnen lässt.

Klar war ihm, dass eine wachsende Anzahl von Menschen mit immer neuen Begehrlichkeiten und Möglichkeiten, sie zu erfüllen, in einem endlichen Lebensraum mit begrenzten Ressourcen in Schwierigkeiten kommen muss. Welche Lebens- und Verhaltensweisen waren zukunftstauglich? Welche überstrapazierten den Planeten. Um das herauszufinden, gründete er 2003 das „Global Footprint Network“.

Mittlerweile verbraucht das bisher erfolgreichste Lebewesen des Planeten „mehr biologische Ressourcen als die Erde regenerieren kann. Wir befinden uns in globalem ökologischen Overshoot“, heißt es auf der Homepage des „Global Footprint Network“. Berechnet wurde, dass jedem der inzwischen 8 Milliarden Menschen 1,8 Hektar der Erdoberfläche – das ist ein Quadrat mit 134 Metern Seitenlänge – zur Verfügung stehen. Im globalen Durchschnitt nimmt ein Mensch jedoch 2,7 Hektar in Anspruch – also 1,5 Erden! Nordamerikaner:innen und Europäerinnen leben mit 6,2 Hektar bzw. 4,7 Hektar am meisten auf Kosten anderer. Kontinental betrachtet, kommen Afrikaner:innen und Südamerikaner:innen am besten und allerbesten mit ihren verfügbaren Flächen aus.

„Wir spielen ein geheimes Spiel, das niemand benennt, und wenn wir nicht zeigen, dass ein besseres Spiel möglich ist, wird es weitergespielt werden“, sagte Wackernagel 2016 für „Oya“, eine Zeitschrift für alternative Lebensweisen ohne westlich geprägte Konsumkultur. „Auf englisch nennt sich dieses Spiel ‚Losing last‘ – ‚Sei derjenige, der zuletzt verliert‘.“ Guter Hinweis – aber sorry, es ist kein Spiel, auf einem viel zu großen Fuß zu leben, sondern ein Desaster.