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Es gibt keine richtige oder falsche Perspektive, aber es gibt mindestens so viele verschiedene Perspektiven, wie es Lebewesen gibt. Manche (Perspektiven) sind sich sehr ähnlich, andere unterscheiden sich – naturgemäß – enorm. Allen gemeinsam ist, dass keine von ihnen die Wirklichkeit er-lebt. Wie gut sie in ihr zurechtkommen, hängt aber erheblich davon ab, wie nahe ihre Wahrnehmungen an der Wirklichkeit sind.
Erst die Fähigkeit, nicht nur die eigene Perspektive wahrnehmen zu können, schafft die Voraussetzung für ein SelbstVerständnis.
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Den Blick aus dem Weltall auf die Erde nenne ich Humboldt-Blick. So tatsächlich vor Augen sehen Menschen den Planeten erst, seit sie ihn in Raumschiffen verlassen können. Dieser Anblick, sagen sie nach ihrer Rückkehr auf seine Oberfläche, mache es ihnen unmöglich, weiter nachlässig und rücksichtslos auf der Erde zu leben. Alexander von Humboldt scheint zu den wenigen Menschen zu gehören, die die irdische Einzigartigkeit schon zuvor empfunden haben. Diese vitalistische Perspektive nimmt der indische Bestseller-Autor Amitav Ghosh mit einer erstaunlichen Schlüssigkeit heute wieder auf.
In einer ganz besonderen Kombination von Intuition, Kreativität und Sorgfalt entdeckte Alexander von Humboldt während einer fünf Jahre dauernden Forschungsreise in Mittel- und Südamerika, die ihm auch körperlich alles abverlangte, in zahllosen biologischen, geologischen und geografischen Beobachtungen und Vermessungen eine allen Einzelheiten innewohnende Gänze.
Von einer Bergtour am Chimborazo im heutigen Ecuador, der in seinem Reisejahr 1802 mit knapp 6300 Metern noch als höchster Berg der Erde galt, ist der Moment überliefert, wo ihm durch Mark und Bein ging, dass in der Natur alles mit allem zusammenhängt.
Das ist der Background für meine Perspektive: mein Aussichtsreich.