Universum

Wenn ich in die Sterne blicke, löst das bei extra klarem Himmel ein Schwingen in mir aus, für das ich gar kein Sinnesorgan habe. Vergleichen lässt das Gefühl ein wenig mit dem, das entsteht, wenn ich Musik höre. Ob wegen dieser Anmutung in der Antike die Musik zu den ‚sieben freien Künsten‘ gehörte? In ihnen entdeckten unsere Vorfahren die Möglichkeit einer systematischen Bildung, um sich Welt einbilden zu können. So mag in ihren Köpfen ein Muster entstanden sein, das in gewisser Weise der Struktur der Materie entspricht.

Dem bloßen Auge erscheint die Galaxie M 31 im Sternbild Andromeda als Nebelfleck. Immanuel Kant vermutete in ihm ein milchstraßenähnliches Sternsystem. Vor 100 Jahren reichte die Leistung astronomischer Teleskope aus, das zu bestätigen. 1923 bestimmte der US-amerikanische Astronom Edwin Hubble ihre Entfernung: zweieinhalb Millionen Lichtjahre oder 9 Billionen 460 Milliarden Kilometer. Unvorstellbar, welche Weite wir ermessen können.

Ich war Vierzehn, als ich zu Weihnachten eine Stabtaschenlampe geschenkt bekam. Um sie auszuprobieren, ging ich am folgenden Abend in die kleine Parkanlage unweit unserer Wohnung. Eine Weile funzelte ich zwischen Bäumen und Sträuchern, dann richtete ich den Lichtstrahl in den sternenklaren Himmel. Er verlor sich in der Tiefe des nächtlichen Himmels, doch gleichzeitig spürte ich, wie ich mit ihm in dem Moment verbunden war und flog.

Gleichzeitig verlor ich mein Zeitgefühl. Mir wurde schwindelig. Unsicher kam ich in die Wohnung zurück. Nachts hatte ich von da an häufig einen Traum, in dem ich mich in einer drehenden Bewegung von der Erde entfernte. Lautlos geschah das nicht, doch war es keine Musik, wie ich sie kannte. Angst hatte ich bei diesen Traumflügen nicht aber jedesmal nach dem Erwachen, beim nächsten Mal fort zu bleiben. Irgendwann verlor sich das.

Jahrzehnte später las ich in einem Buch des Physikers Fritjof Capra, wofür ich bis dahin keine Worte gefunden hatte: „Ich ‚sah‘ förmlich, wie aus dem Weltraum Energie in Kaskaden herabkam und ihre Teilchen rhythmisch erzeugt und zerstört wurden. Ich ‚sah‘ die Atome und die meines Körpers als Teil dieses Energie-Tanzes, fühlte seinen Rhythmus und ‚hörte‘ seinen Klang.“

Ich weiß, dass das Universums für Menschenohren lautlos ist, doch der mysteriöse Sphärenklang ist wohl eher eine Metapher für die Wechselwirkung des unermesslichen Überall, von dem wir hin und wieder eine Ahnung haben. Sie könnte auch der Hinweis sein, dass ich hierher gehöre, in eine Welt für ohrentaugliche Musik, bereit, aus ihr die Kraft zu schöpfen, sich hier zurechtzufinden, anstatt in unvorstellbar leerer Weite zu verschwinden.