Joseph Beuys

Der deutsche Aktionskünstler, Bildhauer, Medailleur, Zeichner und Kunsttheoretiker Joseph Heinrich Beuys (1921 bis 1986) erweiterte Anfang der 1970er Jahre den Kunstbegriff. Mit der Sozialen Skulptur wollte er eine „umfassende schöpferische Umgestaltung des Lebens“. Er sah in in der Kreativität und schöpferischen Energie von Personen den Werkstoff und zugleich das Werkzeug, ihn zu formen. Daraus folgt in dialektischer Konsequenz, dass der Mensch mitttels der Kunst zu ändern ist und jeder Mensch ein Künstler.

Ein ständiger Ort, um diese Perspektive populär zu machen, wurde für Beuys die documenta in Kassel, bis heute wohl die bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Auf der documenta III gab er 1964 seinen ‚Einstand‘ in den Abteilungen „Handzeichnung“ und „Aspekte 64“. Die Arbeit „Bienenkönigin“ zeigte plastische Objekte aus Bienenwachs, Buchsbaumholz und Ton. Für die 4. documenta 1968 schuf er auf 10 mal 12 Metern eine „Raumplastik“ aus eigenen Installationen und Objekten.

Auf der documenta 5 1972 diskutierte Beuys täglich zehn Stunden lang in seinem „Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ mit Besucher:innen, wie die Gesellschaft durch kreatives Handeln verändert werden könnte. Einen ungeklärten Diskurs mit dem Zeichner und Bildhauer Abraham David Christian entschied er in einem öffentlichen Boxkampf für sich.

Auch während der documenta 6 1977 war Beuys die gesamten 100 Tage in Kassel. Seine „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ bewegte mit 150 Kilogramm Honig eine kupferne Antriebswelle durch einen Block aus Margarine. Die Installation versinnbildlicht sowohl die Kreisläufe im menschlichen Körper, als auch eine energetische Verbindung zu einem zeitgleichen internationalen Debattenforum in seiner „Free International University“.

In die Zukunft, die heute gegenwärtig ist, wies auf der documenta 7 1982 die „Aktion 7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. 7000 Basaltblöcke, die Beuys vor dem Fridericianum aufschichten ließ, galt es durch adäquate Baumpflanzungen im Stadtgebiet abzutragen. Das dauerte über seinen Tod hinaus bis 1987. Dieses Kunstwerk wurde zum Paradebeispiel für die Soziale Skulptur. Es verbindet künstlerische, politische, ökologische und soziale Aspekte und wirkt bis heute gestaltend auf die StadtGesellschaft.

Angetan wäre Beuys von der documenta 15 2022 gewesen. Da beseelte und kuratierte das indonesische Kunstkollektiv „ruangrupa“ die Ausstellung. Es kreierte ein Gesamtkunstwerk, das die beuyssche Idee aus der Fiktion in die Nähe des Faktischen befördert. Das überraschte und bewegt mich tief, seiner eigenen bitteren Worte wegen, die ich nicht vergessen kann: „Diese Gesellschaft ist letztlich noch schlimmer als das Dritte Reich. Hitler hat nur die Körper in die Öfen geschmissen.“