das Buch “Tschudi”

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Hingerissen wie von „Tschudi“ war ich seit dem grandiosen Roman „Der Meister und Margarita“ nicht mehr. Darin lässt Michail Bulgakow den Teufel im Moskau der 1930er Jahre erscheinen, um im jugendlichen Sowjetstaat dem sogenannten Neuen Menschen auf den Zahn zu fühlen. Sollte er das Böse tatsächlich vom Sockel stürzen oder gar aus der Welt schaffen können? Mitnichten, wie sehr schnell sehr deutlich wird. 1976 las ich den Roman ein erstes Mal und erfuhr, dass Marianne Faithfull ihn anno 1968 Mick Jagger auf den Nachttisch geschoben und ihn so zu „Sympathy for the Devil“ inspiriert haben soll, für mich bis heute der spektakulärste Song der „Rolling Stones“.

Den Roman „Tschudi“ legte mir im Frühjahr 2021 eine inspirative Freundin nahe. Leihweise wanderte er in einem schwarzen Stoffbeutel mit rotem Aufdruck, wie sie der französisch-deutsche Kultursender arte auf Buchmessen verteilt, von Dresden in mein Leipziger Oberstübchen und weitete es im Nu in eine intensive Nachempfindung aus, wie sie die „Star Trek“-Astronauten auf dem Holodeck des Raumschiffes Enterprise erleben. Weiterlesen

gut und besser

Gewissenhaftes Hören oder Lesen, was Leute reden oder schreiben, bringt Wesentliches über eine Gesellschaft zum Vorschein. Das wissen wir spätestens seit dem grandiosen Notizbuch „LTI“ des Philologen Victor Klemperer über die Sprache des deutschen Nationalsozialismus. Wünschenswert wäre ein ähnliches Werk heute, wo wieder alle Register gezogen werden, um Wirklichkeit zu vertuschen und Meinungen zu manipulieren, so dass nicht nur unser Zusammenleben leidet, sondern Zukunft in Gefahr gerät. Weiterlesen

Viel zu viele sind wir

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Vor 50 Jahren gab der Club of Rome eine Studie in Auftrag, in der zum ersten Mal ein Computer unsere möglichen Zukünfte simulierte. „The Limits to Growth“ („Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“) sorgte weltweit für Aufsehen. Das erste Mal wurden Trends und Szenarios errechnet, die den Einfluss der Menschheit auf die Umwelt zeigte. Weiterlesen

Nobelpreise

Eine Woche lang, Tag für Tag, Schlag auf Schlag, gab es wieder gut dotierte Würdigungen für Entdecktes oder Geleistetes – ein wenig den Schaden mindernd, den der Reichtumsquell des Preisstifters angerichtet hat. In diesem Jahr sind es zwei, die erstaunen lassen.

In der Kategorie Literatur geht der Preis an einen Sprachkünstler, der es sich mit der medialen Öffentlichkeit schon einmal gründlich verscherzt hat. Die Rede ist von dem inzwischen 76-jährigen Peter Handke, der ihn für „sprachlichen Ideenreichtum“ erhält, für sein gesamtes literarische Œuvre also. Für mich und jeden, der der Sprache noch vertraut, ist es ein Feiertag. Welch ernstlichen Grund gäbe es auch sonst noch, an eine lebenswerte Zukunft zu glauben?

Diejenigen, die die Perspektive des Österreichers auf die Jugoslawienkriege kritisieren und gern zum Kriterium seiner Preiswürdigkeit gemacht hättenn, haben nach wie vor nicht begriffen, dass er wie jede/r andere berechtigt ist, der Welt die Wahrnehmung mitzuteilen und Fragen zu stellen, weit weg von der Sinnlos-Satire aller Jan Böhmermanns und Dieter Nuhrs dieser Welt. Nie war Handke ein Selbstdarsteller, und wer darf von sich behaupten, die ethnische, religiösen und geopolitische Melange auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zu durchschauen.

In der Kategorie Frieden ist das Komitee nicht in die von den Medien aufgestellte Thunberg-Falle getappt. Den Weltfrieden hat die großartige junge Schwedin mitnichten thematisert, allenfalls indirekt. Allerdings ist eine friedliche Welt eine unumgängliche Voraussetzung, um die Klimakrise auf ein für uns noch erträgliches Ausmaß begrenzen zu können. Erst ein gänzlich anderer Umgang miteinander könnte heute und in nächster Zukunft die Konflikte vermeiden, die mit der Veränderung des Klimas jederzeit eskalieren können.